Hämophilie und andere angeborenen Gerinnungsstörungen

Die angeborenen Blutungsneigungserkrankungen werden vererbt und sind gekennzeichnet durch eine gesteigerte Blutungsneigung, d.h. die Blutung tritt ohne adäquaten Auslöser auf, ist zu stark oder zu lang. Sie begleiten die betroffenen Patienten ihr Leben lang.

Hämophilie

Die bekannteste dieser Erkrankungen ist die Hämophilie. Sie ist Folge eines Mangels an Gerinnungsfaktor VIII (Hämophilie A) oder an Gerinnungsfaktor IX (Hämophilie B), von der praktisch nur Knaben und Männer betroffen sind. Je nach Ausprägung des Gerinnungsfaktormangels spricht man von schwerer (Gerinnungsfaktor <1%), moderater (Gerinnungsfaktor 1-5%) oder milder (Gerinnungsfaktor >5-40%) Hämophile. Typisch sind sehr schmerzhafte Gelenks- und Muskelblutungen, die bei schwerer Hämophilie spontan, bei milder Hämophilie in der Regel nur nach Verletzungen auftreten.

Folge der Gelenksblutungen ist eine rasch fortschreitende Arthrose, die früher häufig schon im jüngeren Erwachsenenalter zu Gelenksfehlstellungen, die Implantation von Prothesen nötig machte und später dann zur Rollstuhlabhängigkeit führten.

Heute mit den modernen Therapien mit Faktor-Ersatz (Medikamente, die den fehlenden Faktor nachahmen) oder in Zukunft mit Gentherapie, können die Blutungen weitgehend verhindert werden und der Fokus der Hämophilie-Behandlung richtet sich auf den Erhalt der Gelenksgesundheit.

Von Willebrand Krankheit

Die häufigste angeborene Blutungsneigungserkrankung ist die Von Willebrand Krankheit, die beide Geschlechter gleich häufig betrifft. Hier stehen Schleimhautblutungen im Vordergrund; betroffene Frauen fallen denn auch häufig durch starke Monatsblutungen ohne ersichtliche, gynäkologische Ursache auf. Auch hier gibt es mehrere Unterformen, die sich durch unterschiedliche Schweregrade der Blutungsneigung auszeichnen.

Andere Angeborene Blutungsneigungserkrankungen

Neben der Hämophilie und der Von Willebrandkrankheit gibt es noch verschiedene andere angeborenen Blutungsneigungserkrankungen mit schwerer Blutungsneigung. Diese sind viel seltener, dazu gehören der schwere Faktor XIII-Mangel, der schwere Faktor XI-Mangel (manchmal auch als Hämophilie C bezeichnet), der schwere FVII-Mangel, das Fehlen des Fibrinogens (Afibrinogenämie), aber auch Plättchenfunktionsstörungen (Bernard Soulier-Syndrom; Thrombasthenia Glanzmann) und vererbte Ursachen einer verminderten Plättchenzahl.

Vorbereitung für invasive diagnostische Untersuchungen und Operationen

Betroffene Patienten brauchen für invasive diagnostische Untersuchungen, für Operationen aber gelegentlich auch für zahnärztliche Eingriffe eine spezielle Vorbereitung mit Gerinnungsfaktorpräparaten, um den fehlenden Faktor zu ersetzten; sowie weitere Medikamente, die die Blutungsneigung reduzieren, oder Plättchentransfusionen.

Normale Lebenserwartung für Patienten mit angeborenen Blutungsneigungserkrankungen

Durch die modernen Therapiemöglichkeiten geht man heute davon aus, dass Patienten mit angeborenen Blutungsneigungserkrankungen eine normale Lebenserwartung haben sollten. Da diese Patienten erst seit kurzem 60 und mehr Jahre alt werden, kommen in den nächsten Jahren noch viele spannende Fragen auf uns zu:

  • Wie sollen Patienten mit angeborenen Blutungsneigungserkrankungen, die ein Vorhofflimmern entwickeln eine Blutverdünnung erhalten, wie sie Patienten ohne angeborene Blutungsneigungserkrankung erhalten?
  • Wie soll der mehrmals wöchentliche Ersatz an Gerinnungsfaktorpräparaten am besten erfolgen, wenn die Venen älter und weniger gut anstechbar sind?
  • Sind Altersheime darauf vorbereitet, Patienten mit angeborenen Blutungsneigungserkrankungen aufzunehmen und gut zu versorgen? Usw.